Ich befinde mich zurzeit
in Chennai um mein Bike und mich selber nach Kuala Lumpur in Malaysia zu
befördern. Der Landweg durch Myanmar ist geschlossen.
Zwischen den
Pflichten, die sich ergeben, wenn man ein Moped von einem Land in ein anderes
befördern möchte, fand ich die Zeit ein paar Zeilen in mein Reisetagebuch zu
schreiben.
Diese möchte ich
nun teilen, da ich denke, sie geben ein gutes Bild von der Umgebung, in der ich
mich zurzeit befinde.
Eintrag:
Während ich heute
das Privileg habe in Eriks Wohnung auszuschlafen, den Tag langsam zu beginnen,
Hörspiele zu hören, die sich auf unverständliche und komplizierte Art und Weise
mit dem Leben der Menschen beschäftigen, während ich ein Gebet von Paulo Coelho
lese und in einem Raum verweile, der schattig ist und unter dessen Decke sich
zwei Ventilatoren drehen, während dessen ist vor der Haustür Indien.
Direkt gegenüber
von Eriks Wohnung arbeiten Menschen in einem Rohbau. Männer und Frauen.
Die Männer mauern,
bohren Löcher oder messen Dinge aus.
Die Frauen
schleppen Sand, Wasser oder Ziegelsteine.
Hupen von
vorbeifahrenden Autos, Rikschas oder Mopeds mischen sich in die Geräusche der
Arbeiten und der schreienden Kinder im Nachbarhaus. Vereinzelt bellen Hunde.
Manchmal kämpfen
ganze Rudel unter dem Fenster neben meinem Bett. Vor allem nachts. Sie fletschen
die Zähne, knurren, bellen, kläffen und heulen laut auf, wenn sie verwundet
werden.
Doch tagsüber ist
es meist zu heiß und sie dösen im Schatten, wie überhaupt jeder, der es irgendwie
einrichten kann, im Schatten döst.
Doch nicht die
Menschen, die gegenüber Steine schleppen. Und das bei Temperaturen, die mich
selbst in Eriks Wohnung schwitzen lassen, während ich diese Zeilen schreibe.
Schwärme von
schwarzen Raben fliegen vor dem Fenster neben meinem Bett vorbei, durchwühlen
den allgegenwärtigen Müll und veranstalten ein Getöse, wie die Hunde nur
Nachtzeit.
Verlässt man die
Wohnung und geht das kleine Gässchen hinunter, vorbei an dem Reisfeld, dass wie
deplatziert wirkt zwischen all den Häusern und Rohbauten, in denen Arbeiter schwitzen,
kommt man an einem kleinen Stand vorbei.
Über einem
wackeligen Holztisch spannt sich eine zerrissene Bauplane, die irgendwann
einmal Blau gewesen sein mochte. Unter ihr liegen auf dem Tisch verschiedenste
Kleidungsstücke, fein säuberlich aufeinander gestapelt. Vor dem Tisch liegen
Häufchen von Holzkohle – frische und verbrannte. Hinter dem Tisch befindet sich
eine Mauer über die exotische Schlingpflanzen wachsen. Verwitterte und neue
politische Parolen werden halb von ihnen überwuchert. Eine junge Kuh –
allgegenwärtig auf Indiens Straßen – erfreut sich an dem Grün, das wohl eine
willkommene Abwechslung zum sonst üblichen Müll-Mahl darstellt. Gemächlich
kauend hebt sie ihren Schwanz und ein dicker Fladen entschwindet ihrem Körper. Direkt
neben dem Tisch schlägt er auf.
Hinter dem Tisch
mit den sauber gestapelten Kleidungsstücken steht ein Mann. Mittelgroß, schwarze
Haare, schwarzen Schnauzbart, sehr dunkle Haut, Wickelrock – eine Beschreibung,
die auf fast alle Inder zutrifft. In seiner Hand das mittelalterliche
Holzkohlebügeleisen, dass irgendwo anders archaisch und antik gewirkt hätte.
Er lächelt mir zu.
Er kennt mich mittlerweile. Doch ich spüre, dass sein Lächeln nicht echt ist.
Es ist das Lächeln eines Dieners, der seinen Weißen Herrn anlächelt – weil er
muss.
Dahinter verbirgt sich Trauer, Wut und
Abneigung gegenüber den Weißen, die in diesem Land leben können, wie Könige. Die
sich sogar klimatisierte Taxifahrten und Einkäufe in den großen Shopping-Malls
leisten können.
Lässt man den
Stand hinter sich, tritt man bald auf die „Hauptstraße“ von Mugallivakkam.
Neben der Straße:
Müllberge. Offene Kanalisationen, in denen Schwarz-Milchige Bäche ölig dahin
fließen. Ein Friedhof auf einem unbebautem Stück Land, auf dem die Gräber
einfach, unkoordiniert und irgendwie „illegal“ anmuten. Dazwischen ein
Trampelpfad, eine Kuh und Müll.
Der nächste Stand:
Nicht unähnlich dem ersten, doch mit einem großen Schild auf dem Fische
abgebildet sind und die Aufschrift erklärt: „Good fish available here!“
Ich komme zu dem
Schluss, dass dies eine waghalsige Behauptung ist, während ich mir die ungekühlten
Kadaver auf der verwitterten Holzplatte betrachte. Gleichzeitig ein Hort von Fliegenschwärmen.
Die Hitze ist
unerträglich und mein T-Shirt bereits nass geschwitzt.
Ich gehe weiter. Der
Verkehr nimmt zu, was bedeutet, dass man sehr darauf achten muss, wohin man
tritt. Leicht könnte man von einem Fahrzeug erwischt werden oder sicher Länge
nach hinlegen, wenn man am unebenen Straßenrand stolpert. Glücklicherweise hupt
jedes Fahrzeug, dass sich mir nähert um anzuzeigen: „Hier komme ich, gib acht,
dass du nicht umgefahren wirst!“
Glücklicherweise
wird meistens gehupt, wenn sich das Gefährt genau auf Ohrenhöhe befindet.
Ein fahrender Händler
auf einem umgebauten Transport Fahrrad, fährt schreiend an mir vorbei.
Obst-, Schuh-, Bongo-
und Kitschverkäufer rufen zu mir herüber: „Yes, Sir! Good stuff!!“
Ich ignoriere sie.
Einmal Augenkontakt hergestellt, wird man sie schlecht wieder los…
Ich glaube ich
benötige eine Rast und gehe so lange weiter, bis ich eine Teestube gefunden
habe.
Ich setze mich
erschöpft, von Hitze, Staub, Gestank und Lärm, bestelle Tee und erhole mich
langsam, während ich mir das bunte Gewusel vor dem Laden anschaue. Der Tee
kommt sofort. Indischer Tee wird mit Milch, anstatt mit Wasser gekocht, woran
ich mich erst gewöhnen musste. Doch während ich so da sitze und träume, ist diese
stärkende Mischung aus Milch, Tee, Ingwer und Zucker genau das richtige.
Gewöhnungsbedürftig,
wie Indien selbst. Süß und interessant, wenn man die Zeit hat zu verweilen.
hey!
AntwortenLöschenfor how long do you have traveled?
i saw u at kuantan, pahang, malaysia when you stop at traiffic light!